So sonnig und so blau war der Himmel über Berlin nicht als ich am 31.12.1989 mit einem roten Fiat Ritmo von SIXT über den Kurfürstendamm einflog und direkt vor dem MAREDO I einen Parkplatz fand. 18 Uhr zeigte die Uhr als ich meinen ersten Fuß auf Berliner Boden setzte. Gepeinigt von Liebeskummer und Abschiedsschmerz von München sagte ich mir: Hans, da bleibst Du zwei/drei Jahre bis Du wieder einigermaßen gefestigt bist und dann geht es wieder zurück nach München!
Nun über 23 Jahre später schmunzel ich über den jungen und ziemlich naiven Hans von damals, stelle mir aber auch gleichzeitig die Frage, was hat mich an dieser Stadt so gefesselt? Weshalb finde ich den Ausgang nicht? Und falls ja, wo ist der Schlüssel?
Anfänglich dachte ich die Stadt mag mich nicht. Der Januar war grauer als grau und trüber als trüb und nieselig und eklig und die Wolken kratzen an den Dächern und die Menschen sind....ahhaaahhaaaaaarrrrrrrhhhhaaaah......
Aber wer in L.A. eine gepflegte Sommermelancholie und ziemlich herbe finazielle Verluste überlebt hat, der wird auch mit einer Stadt wie Berlin fertig.
Aber zurück zum SylvesterAbend '89.
Hartwig rief mir, als ich ins Restaurant ging, zu: Hans, zieh den Anzug an, Du mußt Stoppen und Platzieren!
Okay! Das fängt ja schon mal gut an.
Punkt 22 Uhr haben wir dann den Laden abgeschlossen und die Mitarbeiter haben sich zurecht gemacht für ihre jeweiligen Sylvesterveranstaltungen. Ich ging ins Kühlhaus und habe mir erlaubt zwei Flaschen Champagner für die Fete am Brandenburger Tor in meinem Rucksack zu verstauen. Eine Bleibe für die Nacht hatte ich noch nicht, wird sich aber sicherlich noch im Laufe der Nacht finden.....oooohhhh what a night!
Ich saß also im Gastraum und wartet auf die Anderen die mir noch den ein oder anderen Tipp geben wollten wo ich hin gehen könnte.
Upppsss.....hallo!!!!
Kassiererin L. K. kam die Treppe herunter. Lack BH, Lacksptrapsgürtel an dem Nylons befestigt waren, Lackslip, Lackpumps mit 12 cm Absatz und darüber trug sie ein bodenlanges durchsichtiges Bademäntelchen....schwarz war die Farbe. L.K. ist mir, nachdem ich Ende Oktober 90 das Unternehmen verließ noch in einigen Lokalitäten und auf verschiedenen Veranstaltungen begegnet....wir hatte immer sehr viel Spaß (Brückner, was machen die Frauen?....grrrrrr und das mit ihrem polnischen Akzent.)!
Hartwig erklärte mir den Weg zum Brandenburger Tor und schon war ich draussen. Fuhr bis zum Europacenter, parkte den Wagen und wollte zu Fuß weiter maschieren. Oh, Hans....mittlerweile war es schon kurz nach 23 Uhr. An der Urania entschloß ich mich den Daumen raus zu halten und weiter zu trampen...in Berlin...mitten in der Stadt....und was soll ich sagen, da hielt wirklich ein Wagen, zwei italienische Pärchen wollten von mir wissen wie es zum Brandenburger Tor geht....Hallo??? Ich hab keine Ahnung aber das Fahrtziel ist das gleiche. Also sagte ich, einfach gerade aus. Was glücklicher weiße richtig war, denn wir kamen am Großen Stern an und bogen dann nach rechts auf den 17. Juni. Bis zur Entlastungsstraße, die es heute nicht mehr gibt, sind wir gekommen. Dann war alles dicht. Eigentlich kein Vergleich zur Love Parade oder den unsäglichen PublicViewing zur WM. 10 nach 12 war der Hans dann vor dem Brandenburger Tor auf der Mauer holte den Schampus raus und trank ihn mit wildfremden Menschen und freute sich ein Loch in den Bauch. Das war mein erstes und auch mein letztes Sylvester am Tor. So gegen 1 Uhr ging ich dann den 17. Juni wieder Richtung Gold Else. Es war ein einziges Verkehrschaos. Die Autos standen kreuz und quer, verlassen und keiner konnte auch wenn er wollte vorwärtskommen....
Hofjägerallee Ecke Tiergartenstraße hörte ich ein lautes HAAAAANNNSSSS!!!! Ich drehte mich um und da stand die Mitbewohnerin meiner Sommerliebschaft '89 in München.
.....was machst Du hier?
Ähhh, ich bin gerade angekommen und fange morgen bei MAREDO an. Und Du?
Sylvester feiern, willste mit? Fete in Kreuzberg!
Klar!
Da blieben wir dann bis um....keine Ahnung und dann noch in zwei Clubs am Ku'Damm und irgendwann bin ich in meinem besoffenen Kopf doch tatsächlich wieder am EuropaCenter gelandet und stand vor dem roten Fiat Ritmo. Rennrad, Videorecorder, Fernseher, Skateboard und die zwei Reisetaschen mit meinem verbliebenen Hab und Gut waren noch da.
Hatte immer noch kein Hotelzimmer, weil ich mich ja auch nicht drum gekümmert habe. Na, dann Hans, auf und los geht es. Bin kreuz und quer durch die Stadt gecruised, habe in Kreuzberg brennende Autos gesehen, stand am Checkpoint Charly vor Grenzern und wollte in den Osten um dort ein Hotel zu finden....meine Fresse was habe ich an diesem Abend Schwein gehabt.
Irgendwann bin ich bei Tagesanbruch vor dem Kranzler gelandet unweit MAREDO I. Tässchen Kaffee geschlürft, eine geraucht und dann ab zum Dienst.
Ich habe keine Ahnung was ich so fesselnd an dieser Stadt finde.
4 Kommentare:
Mein Verhältnis zu Berlin ist ähnlich.. bei den ersten Besuchen fand ich es schrecklich - die Leute aufdringlich, die Stadt schmutzig, nichts konnte mir gefallen.... aber je öfter ich nach Berlin kam, umso mehr hat die Stadt sich in mein Herz geschlichen. Inzwischen könnte ich mir sogar vorstellen, irgendwann mal da zu wohnen. Und das Beste: es gibt wirklich so was wie die "Berliner Luft".. als ich die das erste Mal so richtig erschnuppert hab, war es um mich geschehen..
Eine wundervolle Stadt, für einen Besuch. Leben? Nein nie wieder, ich würde untergehen ohne meinen Dom in Reichweite.
....das übernehme ich dann.
Berlin ist eine Zicke. Sie ignoriert Dich, wenn Du gut Freund mit ihr sein willst, und wenn Du denkst, sie will nichts mehr von Dir wissen, lächelt sie Dich an und nimmt Dich in den Arm. Sie ist glamourös oder unscheinbar, je nach Laune, sie ist schnippisch oder verständnisvoll. Sie ist dreckig oder stolziert auf Highheels über den Tauentzien. Sie ist einfach wunderbar, diese Stadt.
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