Freitag, 3. Oktober 2014

25 Jahre?

Eigentlich wollte ich einen Beitrag posten zum Thema "Was haben Sie heute vor 25 Jahren gemacht?", aber wie das Leben so spielt ist mir das Interview meines Freundes Pierre Sanoussi-Bliss dazwischen gekommen.

Ich habe Pierre 2009 bei der Planung von 30TageKunst2009 kennengelernt. Unkompliziert, freundlich und obendrein auch noch witzig. Ihr könnt mir glauben das ich Menschen in unserem Gewerbe kennengelernt habe die weit weniger Erfolg haben und bekannt sind, aber auf Grund ihrer Hybris zwei Meter über dem Boden schweben. Will sagen, war ziemlich überrascht über den Herrn Sanoussi-Bliss!

Das was ihr gleich im Interview lesen werde hat sich wirklich so zu getragen und ich bin stolz auf Pierre weil er wirklich einer der Ersten ist, aus der ersten Reihe unserer bekannten Film- und Fernsehdarsteller der sich öffentlich zum offensichtlichen Missmanagment eines Fernsehsenders äussert.

"Gazelle": Was hat Sie bewogen, das Video auf Ihre Facebook-Seite zu stellen? 

Pierre Sanoussi-Bliss: Ich wollte ein Zeichen setzen, dass ein Sender nicht so mit seinen Schauspielern umgehen kann. Das haben wir, mein Kollege Markus und ich, nachdem wir so viele Jahre erfolgreich für den Sender gearbeitet haben, nicht verdient. Deshalb war das Video auch keine emotionale Kurzschlussreaktion, sondern wohlüberlegt. Wir Schauspieler kuschen ja schon lange viel zu sehr, was den Umgang mit uns angeht. 

"Gazelle": Wie wurde Ihnen denn mitgeteilt, dass „Der Alte“ künftig ohne Sie ermittelt? 

PSB: Markus Böttcher und ich wurden unter falschen Voraussetzungen aus unserem Urlaub heraus nach München gelockt. Es hieß, die zuständigen Redakteure wären auf Rundreise zu verschiedenen Sets in der Stadt und wollten u.a. ein lockeres Gespräch mit allen „Der Alte“-Darstellern führen. Das war aber nicht so. Markus und ich waren die einzigen Schauspieler, die dort waren. Es war ein Gefühl, als würde man sich auf eine Geburtstagsparty freuen und dann kommt man in einen Raum, in dem ein Stuhl steht, über dem ein Strick hängt. In dem Gespräch wurde uns dann mitgeteilt, dass nach dem nächsten Dreh für uns beide Schluss ist und das Casting für unsere Rollen bereits laufe. Dann haben wir die fertigen Drehbücher für unsere Ausstiegsfolge in die Hand gedrückt bekommen. Lieblos nüchtern, nach 28, bzw 18 Jahren erfolgreicher Arbeit in "Der Alte". 

"Gazelle": Gab es vorher keine Anzeichen auf ein mögliches Ende ihres Engagements? 

PSB: Im Nachhinein betrachtet schon. Ich hatte schon länger das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Markus Böttcher und ich tauchten schon während der letzten Staffel im Gegensatz zu den anderen Ermittlern nicht mehr im Vorspann auf. Das gibt es in keiner anderen Krimiserie, dass man zwei Darsteller aus dem Hauptcast nicht nennt. Auch wurden wir beide im vergangenen Jahr zBsp nicht mehr zum Oktoberfest eingeladen, was sonst immer eine Selbstverständlichkeit war. Das sind alles Kleinigkeiten, die für sich genommen niemandem auffallen. Im Nachhinein passen sie aber ins Bild. Für mich waren sie jedenfalls der Anlass, Ende 2013 einen Brief an den ZDF-Intendanten Thomas Bellut zu schreiben und ihn zu bitten, mir Bescheid zu sagen, falls er mit irgendetwas unzufrieden sein sollte. Damals hat er mir in einem Brief versichert, dass niemand die Absicht habe, uns aus der Serie zu nehmen und er sich auf die neuen Folgen mit uns freue. Mit dem Wissen, das ich nun habe, geht mir da echt der Hut hoch! 

"Gazelle": Sie sind also sicher, dass Ihr Ausscheiden aus der Serie schon damals feststand? 

PSB: Ja, ganz sicher. All die Anzeichen, die mich in den letzten Monaten stutzig gemacht haben, passen inzwischen ins Bild. Ich hätte ja sogar ein gewisses Verständnis gehabt, hätte man uns 2013 gesagt: „Passt auf, 2014 wird Euer letzte Jahr bei ‚Der Alte‘ sein. Lasst uns gemeinsam nach einer Alternative suchen.“ Die Gründe, uns aus der Serie zu werfen, - Stichwort Jugendwahn - hätte ich dann noch immer nicht verstanden, aber das wäre zumindest ein Umgang gewesen, den ich hätte akzeptieren können. Als Schauspieler hat man ja kein Recht auf eine Rolle, nur sind die meisten auch nicht so lange in einem toll und weltweit funktionierendem Format. Aber das, was das ZDF hier gemacht hat, ist einfach unfair und illoyal. So geht man nicht mit Menschen um. Erst recht nicht, wenn man ein eigentlich mit uns sehr zufriedenes Publikum in keinster Weise mit einbezieht. 

"Gazelle": Ist das, was Ihnen und Ihrem Kollegen passiert ist, ein Einzelfall oder sehen Sie da womöglich eine Methode? 

PSB: Mit Wertschätzung hat das, was Schauspielern oft widerfährt, schon lange kaum noch etwas zu tun. Ich sehe ja auch, wie es Kollegen von mir ergeht und renne nicht blind durch die Szene. Ich habe den Eindruck, die Redakteure sitzen in ihrer Trutzburg u. a. auf dem Mainzer Lerchenberg und haben keinerlei Interesse an den Schauspielern in ihren Serien. Die Redakteurin, die für „Der Alte“ zuständig ist, habe ich zum Beispiel erst jetzt bei Markus Böttchers und meiner "Hinrichtung" in München kennengelernt. Da war sie aber schon länger als ein halbes Jahr im Amt. Kein Anruf vorher, kein "Hallo! Ich bin jetzt für euch zuständig und eure Ansprechpartnerin. Auf gute Zusammenarbeit!" Nichts. Der Erfolg von Sendungen scheint oft auch ziemlich egal zu sein. Sein Geld bekommt der Sender über die monatliche Zwangsabgabe aller Haushalte ja ohnehin – egal, wie gut oder schlecht die Quote ist, bzw der weltweite Verkauf ist."Der Alte" läuft in 107 Ländern. Und niemand trägt eine Verantwortung, wenn ein Rumgefummel an eigentlich beständigen Formaten schief geht, weil sich alle Verantwortlichen hinter dem Begriff „der Sender“ verstecken. 

"Gazelle": Fürchten Sie eigentlich Konsequenzen, weil Sie Ihre Kritik am ZDF derart deutlich geäußert haben? 

PSB: Von Konsequenzen gehe ich aus. Das ist sicher öffentlich-rechtliches Kamikaze, was ich momentan mache. Das erzeugt reflexartige Abwehrhaltung bei den Entscheidungsträgern. Ich werde ganz sicher auf einer Liste landen und so schnell nicht wieder besetzt werden. Aber man kann nicht immer nur den Kopf in den Sand stecken. Ich bin ja kein Querulant. Und am Set bin ich der umgänglichste Mensch der Welt. Aber es gibt im Umgang mit uns Schauspielern einfach klare Missstände, die auch einmal benannt werden müssen. Sonst wird sich nichts ändern. 

"Gazelle": Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass sich etwas ändert? 

PSB: Das ist schwer zu sagen. Ich bekomme unheimlich viel Zuspruch von Kollegen, der mir zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Allerdings würden sie den nie – und das kann ich sehr gut nachvollziehen – öffentlich äußern, weil sie die Konsequenzen fürchten. Daran sieht man schon, dass es einen Fehler im System gibt. Umso mehr Respekt habe ich vor den Kollegen, die sich öffentlich geäußert haben. Wenn wir mehr werden, können wir etwas ändern. Wer ungerecht behandelt wird, sollte sich wehren. Auch das wollte ich mit meinem Video zeigen. 

"Gazelle": In Ihrem Facebook-Video sprechen Sie auch Ihre Hautfarbe an. Ist sie ein Problem für Engagements im Fernsehen? 

PSB: Ich wünschte, es wäre nicht so, doch leider ist das deutsche Fernsehen da noch nicht so weit wie seine Zuschauer. Ich spiele seit 18 Jahren Axel Richter, einen Kommissar, der genauso gut von einem Weißen verkörpert werden könnte. Und ich könnte genauso gut einen Lehrer oder einen Bürgermeister spielen. Aber das ist leider bei Produzenten, Redakteuren, Castern und Regisseuren noch nicht angekommen. Dort heißt es oft nur: „Wir haben keine Rolle für Migranten vorgesehen.“ Was soll man da dann noch sagen? Es ist entsetzlich zu sehen, welche Weltsicht manche Menschen in Entscheiderpositionen bei großen Fernsehsendern haben. Und ich bin nicht mal Migrant, sondern waschechter Berliner. 

"Gazelle": Ihr Video wurde bei Facebook einige Tausend Male aufgerufen und von vielen geteilt. Hätten Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet? 

PSB: Als ich das Video aufgenommen habe, wollte ich mir in erster Linie Luft machen. Ich traue den sozialen Medien ja einiges zu, aber damit, dass das Video, durch Verlinkung auf div. Homepages grosser Zeitungen, inzwischen über 100.000 Mal angeklickt wurde, hätte ich nie gerechnet. Ich fühle mich fast ein bisschen wie Lady Gaga. Allerdings bin ich vielleicht eher nur gaga. (lacht)

Das Interview führte Kai Doehring telefonisch mit Pierre.

Ich freue mich auf Pierre und seinem Programm bei 30TageKunst2014

Und mein lieber Pierre, ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit bei Deinem Filmprojekt und all die Dinge die noch vor uns liegen.

Übrigens am 03. Oktober 1989 war ich......keine Ahnung, warscheinlich mit einem VW-Bus unterwegs nach Zürich, St. Moritz, Mailand, Gardasee, München, Frankfurt oder Köln......war 'ne echt geile Zeit!
 

1 Kommentar:

Goldi hat gesagt…

Chapeau Euch beiden :-*