Dienstag, 19. März 2013

Ostrachstr.37

Da stehe ich vor diesem Bild, wende meinen Kopf nach links und schaue zum Wohnzimmerfenster heraus. Blicke zurück zum Bild das über dem Sofa hängt. Wende erneut meinen Blick zum Wohnzimmerfenster und verstehe die Welt nicht mehr. Geh zum Fenster und betrachte die Welt dort draussen.

Was sehe ich? Einen Wäschetrockenplatz mit Betonpfeilern zwischen denen grobe Seile schlaff gespannt sind. Zwei kleine Holzhütten in denen Gartengerätschaften gelagert werden, in der hinternen Hütte werde ich cirka 10 Jahre später versuchen Manuela zu knutschen. Zwischen beiden Hütten, wobei sich die Erste vorn links im Bild befindet und der Hinteren, welche sich rechts mittig befindet, sind verschiedene Gemüse- und Obstbeete angelegt. Links Bild Mitte befindet sich eine mächtige Tanne, die sich in der Mitte teilt und letztendlich zwei Tannen ist. Hinter der ZweiTanne fließt von links nach rechts der Ostrachkanal, in dem 1938 Georg ertrunken ist, der zur Stromgewinnung und Kühlung für die Firma BOSCH dient, welche ich rechter Hand noch erspähen kann. Dann folgt eine große Wiese die von einer Straße unterbrochen wird. In der Ferne sehe ich die leichten Hügel von Ofterschwang mit der SonnenAlpe, welche immer sehr schön in der Nacht beleuchtet über das ganze Tal strahlt. Darüber der weiß blaue Himmel des Oberallgäus, meiner Geburtsstätte.

Ich blicke zurück und finde all dies nicht in dem Bild von Herrn E. Krönauer aus dem Jahre 1948. Wie alt das Bild ist kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausrechnen da ich noch zu klein bin. Ich verstehe die Welt nicht. Wie kann ein Mann sich so täuschen wenn er aus dem Wohnzimmerfenster blickt und dann so etwas auf die Leinwand malt?

Ich kenne dieses Bild solange ich denken kann. Es hing im Wohnzimmer von AnniOma, der anderen Großmutter. Nach ihrem Tod 1998 hing es im Wohnzimmer meiner Eltern. 2010, ein Jahr vor dem Tod meines Vaters, zogen meine Eltern aus dem Häuschen meiner Tante in eine kleinere Zweizimmerwohnung. Es wurde aufgeräumt und ausgemistet. Dieses Bild sollte auf dem Sperrmüll oder auf dem Flohmarkt verhöckert werden.

Ich bringe nicht fertig es zu "Entsorgen". Ich weiß nicht was ich an ihm finde, aber es verbindet mich etwas, vielleicht die Illusion das damals alles in Ordnung war. Und je länger ich darüber nachdenke desto mehr komme ich zu der Überzeugung das es genau das Gegenteil ist. Von einen auf den anderen Augenblick stimmte meine Welt nicht mehr so wie ich sie gewohnt war. Das Bild hing da schon lange vor meiner Geburt und ich kannte es und ich kannte den Blick nach draussen und für mich stand immer fest, das dies der Blick nach draussen ist. Und urplötzlich bricht über den kleinen Hans die Realität herein. Nichts ist so wie es scheint. Trau nie Deinem ersten Blick. Überprüfe was Du siehst. Stelle Dich den Realitäten, aber bis er das macht, der Hans dauert es noch ein wenig.

Dem aufmerksamen Betrachter wird die Rose aufgefallen sein, aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Keine Kommentare: