Dienstag, 28. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" XII

So vieles scheint geklärt und alle wissen alles, um dann überrascht festzustellen das Fragen über Fragen bleiben.

Und genau das macht den Aal so einzigartig. Immer wieder sah sich die Naturwissenschaft mit Rätseln konforntiert, aber wenige haben sich so lange gehalten wie das des Aals. Und das nicht nur, weil er - aufgrund seines seltsamen Lebenswandels, seiner Lichtscheu, seiner Metamorphosen und seines umständlichen Verhaltens bei der Fortpflanzung - ungewöhnlich schwer zu beobachten ist. Er ist darüber hinaus auf eine Weise geheimnisvoll, die beinahe bewusst und notwendig erscheint. Selbst wenn es einem gelingt, ihn zu beobachten, selbst wenn man ihm ganz nahekommt, schein er sich doch zu entziehen. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen Zeit und Mühe darauf verwendet haben, ihn zu studieren und Erkenntnisse über ihn zu gewinnen, müssten wir längst viel mehr über ihn wissen. Dass wir es nicht tun, ist geradezu unerklärlich. In der Zoologie spricht man deshalb gern von der "Aalfrage".

Aus "Das Evangelium der Aale" von Partik Svensson aus 2019

Montag, 27. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" XI

Nicht nur Tagesmotto!

Schneller, als wir alle glauben möchten, könnte ein Zeit kommen, da die Systeme der industriellen Landwirtschaft und des Welthandels zusammenbrechen und es mehr Menschen ohne als mit Dach über dem Kopf geben wird. Dann werden Begriffe wie "ökologische, regionale Landwirtschaft" und "starke Gemeinschaften" keine hohlen Schlagwörter mehr sein. Freundlichkeit gegenüber dem Nächsten und Achtsamkeit gegenüber der Umwelt - Förderung gesunder Böden, ein vernüftiger Umgang mit Wasser, Schutz von Bienen und anderen Bestäuberinsekten - werden in einer Krise und in jeder Gesellschaft, die sie übersteht, wesentliche Bedeutung erlangen. Eine Initiative wie das Homelss Garden Project gibt mir die Hoffnung, dass die Zukunft, selbst wenn sie zweifellos schlechter sein wird als die Gegenwart, in mancher Hinsicht auch besser sein könnte. Vor allem aber gibt sie mir Hoffnung für heute.

Aus "WANN HÖREN WIR AUF, UNS ETWAS VORZUMACHEN?" von Jonathan Franzen von 2019

Sonntag, 26. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" X

Systemrelevant?

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Und dann hat Milo ihm in einer halben Stunde mehr über das Fußballbusiness beigebracht, als er in all den Jahren davor verstanden hatte, über den Einfluss von Ausstattern, über Sponsoring-Deals, Absatzmärkte, Selbstdarsteller und die verschiedenen Einflussgruppen im Aufsichtsrat und im Präsidium von Real Madrid, und statt Milo in die Goschn zu hauen, wie er es sich vorgestellt hatte, statt ihn zu Rede zu stellen, hat Ivo sich gefreut, dass jemand ihm erklärt, was er offensichtlich nicht verstanden hatte. Er hat sich gut aufgehoben gefühlt bei Milo, und irgendwas ist auch bei Milo passiert, sonst hätte er Ivo nicht noch immer als Klient, obwohl er mit jedem 20-Jährigen, den er transferiert, mehr verdient als mit Ivo in dessen ganzer Karriere. 

Freitag, 24. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" IX

Ich trat aus dem Wald, auf ein zu geschneites Feld. Im Sommer hatten wir hier mal einen riesigen Hasen gesehen, Fieder und ich, genau am Waldrand. Er hockte auf einmal vor uns und glotzte uns an, oder durch uns durch. Erstaunt oder kurzsichtig, wir konnten den Blick nicht deuten. 
Dann drehte der Hase den Kopf zu den Gräsern und fing an rumzumümmeln, warschrscheinlich überzeugt davon, dass er sich uns bloß eingebildet hatte.
Das Feld zog sich weiter den Hang hoch. Oben setzte ich mich in den Schnee.
Am liebsten wäre ich so ein Kartoffelsackbehinderter gewesen. Dann hätte ich einfach verweigert und Zivildienst gemacht und hätte nicht nach Berlin abhauen müssen. Eigentlich wollte ich garnicht nach Berlin. Eingentlich fand ich Berlin total scheiße. Die Leute waren scheiße, die vollen Straßen waren scheiße, das Scheißwetter war scheiße, alles.

Aus "Auerhaus" von Bov Bjerg von 2017

Donnerstag, 23. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" VIII

Erst ein Jahr kein Buch angerührt und dann.......

Nun vermuten Sie wahrscheinlich, ich hätte sofort das Buch gepackt, betrachtet, gelesen. Keineswegs! Erst wollte ich die Vorlust auskosten, daß ich ein Buch bei mir hatte, die künstlich verzögernde und meine Nerven wunderbar erregende Lust, mir auszuträumen, welche Art Buch dies gestohlene am liebsten sein sollte: sehr eng gedruckt vor allem, viele, viele Lettern enthaltend, viele, viele dünne Blätter, damit ich länger dran zu lesen hätte. Und dann wünschte ich mir, es sollte ein Werk sein, das mich geistig anstrengte, nichts Flaches, nicht Leichtes, sondern etwas, das man lernen, auswendig lernen konnte, Gedichte, und am besten - welcher verwegene Traum! - Goethe oder Homer. Aber schließlich konnte ich meine Gier, meine Neugier nicht länger verhalten. Hingesteckt auf das Bett, so daß der Wärter, wenn er plötzlich die Tür aufmachen sollte, mich nicht ertappen könnte, zog ich zitternd unter dem Gürtel den Band heraus.

Aus "Schachnovelle" von Stefan Zweig aus dem Jahre 1943

Mittwoch, 22. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" VII

Aktueller den je......

Am selben Abend erklärte Schwatzwutz den anderen Tieren im Vertrauen, dass Napoleon in Wahrheit niemals gegen die Windmühle gewesen wäre. Im Gegenteil, er sei es, der sie von Anfang an befürwortet habe, und der Plan, den Schneeball auf den Fußboden der Brutanlage gezeichnet hätte, sei in Wahrheit aus Napoleons Papieren gestohlen worden. Die Windmühle sei tatsächlich Napoleons ureigenen Schöpfung gewesen. Warum, fragte da jemand, habe er sich dann so heftig dagegen ausgesprochen? Hier schaute Schwatzwutz ganz verschmitzt drein. Das, sagte er, sei die Pfiffigkeit von Genosse Napoleon gewesen. Er habe sich der Windmühle scheinbar widersetzt, schlichtweg nur ein Manöver, um sich Schneeballs zu entledigen, der ein gefährlicher Charakter und schlechter Einfluss gewesen sei. Und nun, da Schneeball aus dem Weg geräumt sei, könne der Plan ohne seine Einmischung fortschreiten. Dies, sagte Schwatzwutz, sei etwas, das man Taktik nenne. Er wiederholte mehrmals: "Taktik, Genossen, Taktik!", hopste dabei herum und wackelte mit einem fröhlichen Lachen mit dem Schwanz. Die Tiere waren sich nicht schlüssig, was das Wort bedeutete, aber Schwatzwutz sprach so überzeugend, und die drei Hunde, die ihn zufällig begleiteten, knurrten so bedrohlich, dass sie seine Erklärung ohne weitere Fragen akzeptierten.

Aus "Farm der Tiere: Ein Märchen" von George Orwell aus 1945.

Montag, 20. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" VI

I like, one of the finest Gins.....it has been Queen Moms favorit!

Herm Leydicke

Kannst Du mich hören? Hörst Du mich?

6. Vergiss übrigens auch, was sie dir über das Trinken erzählen. Es kann angenehm sein. Es kann dich über dich selbst hinaustreiben. Und es kann dich ruhig werden lassen, wenn du es nötig hast. Der Alkohol ist kein Teufel. Der Teufel ist die fette Fliege, die in einer Sommernacht in deinem Zimmer schwirrt und dich nicht schlafen lässt. Alkohol ist nur eine chemische Verbindung, und es ist immerhin nicht ausgeschlossen, dass du ihn kontrollieren kannst. Doch wenn du am Tresen sitzt und die Wandverkleidung zu leben beginnt und kleine Tierchen unter den Barhockern huschen, dann bestell noch einen. Es kommt nicht mehr darauf an.

Aus "Das Feld" von Robert Seethaler aus 2018

Samstag, 18. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" V

VOLTAIRE 
oder die Freiheit durch Toleranz

SCHIRACH

Vielleicht brauchen wir auch keine großen philosophischen Erklärungen. Wir können heute sogar sehen, dass wir tolerant sein müssen. Die Voyager I startete 1977 von Cape Canaveral, sie ist die erste Sonde, die unser Sonnensystem verließ. Obwohl die Sonde eigentlich keine Kraft mehr hatte, schickte sie 1990 letzte Fotos zur Erde, über eine Strecke von 6 oder 7 Milliarden Kilometern der größten Entfernung, aus der jemals ein Foto gemacht wurde. Auf einem dieser Fotos ist unser Sonnensystem zu erkennen, viele Sterne und links unten ein kleiner hellblauer Punkt, noch nicht mal von der Größe einer Stecknadel. Das ist die Erde, dort ist alles, was wir waren und was wir sind. Das Foto hängt über meinem Schreibtisch. Wenn Sie es ansehen, wird Ihnen klar, wie verrückt wir sind, dass wir Kriege führen und uns töten. In unserer Milchstraße gibt es 100 Milliarden Sonnensystem und im Weltall 100 Milliarden solcher Galaxien. Das alles zusammen sind etwa 10% des Universums, der Rest ist leer und minus 270°C kalt. Wir sind vergänglich, wir haben keine Gewalt über unser Leben. Marc Aurel schrieb, Alexander der Große und seine Maultiertreiber haben am Ende den gleichen Weg genommen. Es bleibt uns nicht übrig, wir müssen zusammenhalten.

Aus
von 
und 
aus 2017

Freitag, 17. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" IV

Letztes Jahr im Sommer zur Seite gelegt und dann wollte ich es immer wieder einmal zu Ende lesen, heute nachmittag in die Hand genommen......und jetzt muß ich heftig grinsen!

Pimp my Scholastik

Bei dem Versuch, plastische Chirurgie abzulehnen, begibt man sich auf schwieriges Gelände. Ein klare Abgrenzung zu Kosmetik und Hygiene ist praktisch unmöglich. Der graduelle Unterschied zwischen Lippenstift, Zahnspange, Ohren anlegen, Fett absaugen und Brust vergrößern ist so schwer auszumachen, wie sich die Frage beantworten lässt, wer alles eine unsterbliche Seele hat. Auch hier kämpfte die Scholastik vergebens. Wenn der Mensch eine unsterbliche Seele hat, warum nicht auch der doch ganz bauplanähnliche Affe? Im Sinne der Evolution ist da kein wirklicher Unterschied zu erkennen. Auch niedliche Hunde und Pferde würde man darüber hinaus nicht ausnehmen wollen. Doch leider gilt für das Tierreich: je kleiner, desto hmpf. Der Hamster geht vielleicht noch hin ("Ooooch, guck mal, wie der schaut!"), die Springmaus und das Hörnchen. Was aber ist mit Stichling oder Stubenfliege? Warum fällt uns die Vorstellung, Assel, Regenwurm und Wanze hätten eine unsterbliche Seele, so schwer? Und zuletzt: das Bakterium.

Biologisch gesehen existiert keine klare Trennlinie. Und selbst wenn man dem Bakterium die unsterbliche Seele geben möchte, weil man sie dem Affen nicht verweigern wollte, sollte dann nicht auch das Virus eingemeindet werden, das Eiweiß und das Prion? Denn interessant: Objektiv betrachtet sind die Prionen der Unsterblichkeit tatsächlich am nächsten. Insofern klares Ja zu Silikonbrust.

Aus "Stimmen" von Wolfgang Herrndorf aus 2018

Mittwoch, 15. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" III

Und dann lese ich dies hier und denke mir.......


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Er ist erlöst worden von den Music Halls, erlöst vom Vaudeville, erlöst von Mae. Er ist erlöst worden von Fünfzehn-Minuten-Sketchen, von Parodien und Burlesken, erlöst von Joe Rock,

Und er ist von Serienproduktionen erlöst worden, nur, um sich in einem neuen Hamsterrad wiederzufinden, denn Hal Roach leitet eine Fabrik, und deren Maschinen müssen gefüttert werde. Sie sind gefräßige Konsumenten von Ideen. Sie suchen das Neue, aber nur , um es zu replizieren. Sie fordern Vielfalt, aber nur, wenn diese entsprechend den Betriebsvorgaben normiert werden kann.

Er sieht die Vaudevilleakteure kommen und gehen. Sie spüren, dass das Ende des Theaterrings bevorsteht. Wenn Vaudeville untergeht, dann geht es rasch unter wie ein Schiff, da sich gerade solange über Wasser gehalten hat, um es denjenigen mit Selbsterhaltungstrieb zu ermöglichen, sich in die Rettungsboote zu begeben, die Angst hatten zu springen, mit auf den Meeresgrund nehmen wird.

Doch das ist nicht fair. Sie können nicht alle von Board gehen, diese Künstler. Einige hat der Theaterring bequem werden lassen; sie sind es zufrieden, endlos jene Gags zu recyceln, die sie erfunden, geerbt oder von anderen gestohlen haben. Und einige haben nur einen Gag, eine Sketch, eine kleine Nummer, und die wird nicht ausreichen um sie zu retten. Sie sind Schweine, die im Angesicht des blitzenden Messers herumtollen.

Bei den Nummern, die überleben und es zu einem Film schaffen, begreift man gewisse Dinge, ohne dass sie ausgesprochen werden. Man begreift, dass sie sich erneuern und abe doch scheinbar gleich bleiben müssen. Dass sie Abwechslung bringen müssen, ohne das Publikum zu verstören. Dass sie zuerst Charaktere aus Ton modellieren müssen, bevor sie beginnen, sie der Brennofenglut des Publikumsblicks auszusetzen. Vor allem aber müssen sie sich nicht nur der Kamera bewusst sein, sonder auch der Leinwand. Auf dies werden sie projiziert werden, und das Publikum wird sich seinerseits auf sie projizieren.

Babe, der Elektriker, weiß das. Babe hat das in reflektiertes Licht getauchte Publikum gesehen. Bald wird Babe von der Leinwand herabblicken und auf diesen anderen deuten, auf diesen Trottel neben sich, und diejenigen, die zuschauen, fragen, ob jemals zuvor ein Mann gezwungen war, eine solche Bürde mit sich herumzuschleppen. Babe wird um ihr Mitgefühl heischen, und sie werden es ihm anbieten, sogar während sie lachen, weil Babe im Grunde so ist, wie sie selbst sind.

Harold Lloyd blicht von der Leinwand herab und sucht Hilfe und Zustimmung. Harold Lloyd kann aus beidem keinen Nutzen ziehen, doch Harold Lloyd bewahrt sich einen Glauben an die Bereitwilligkeit des Publikums, ihm zu helfen, wenn es könnte, und an dessen Fähigkeit, ihm seine Zustimmung durch Gelächter und Applaus zu signalisieren. Es liegt im Ermessen des Publikum. Für Harold Lloyd genügt es zu wissen, dass das Publikum ihn retten würde, wenn es könnte, und dass das Publikum applaudieren wird, auch wenn Harold Lloyd gar nicht anwesend ist, um den Beifall zu hören.

Buster Keaton blicht von der Leinwand herab und bleibt teilnahmslos. Buster Keaton ist Hiob. Das Publikum kann ihm nicht beispringen, und mit dessen Applaus kann er nicht anfangen. Buster Keaton kann nur leiden.

Chaplin blickt von der Leinwand herab und erwartet Liebe. Das ist Chaplins Recht. Chaplin offeriert Lachen, aber nicht als Gegenleistung für diese Liebe. Chaplin erwartet diese Liebe als sein Recht, aber das Lachen muss zusätzlich gekauft werden. Die Währung ist Traurigkeit: Chaplin lässt sein Publikum genauso gern weinen wie lachen.

Und wie ist es bei ihm?

Er ist die Kamera und das Motiv. Er sieht und wird gesehen. Er nimmt auf und wird aufgenommen.

Und während er aufnimmt, erinnert er sich.

Aus "Stan" von John Connolly von 2018

Dienstag, 14. April 2020

Lesen in Zeit von "Corona" II

I've seen the future......

Die stumme, geduldige Vegetation. Alle Achtung. Sie konnten ohne Sprache kommunizieren und waren ohne Nervensystem schmerzempfindlich. Angeblich hatten sie sogar Gefühle. Das wäre allerdings kein Fortschritt. Vielleicht waren sie uns ja gerade deswegen überlegen, weil sie ohne Gefühle auskamen. Einige Pflanzen hatten mehr Gene als der Mensch. Die vielversprechendste Strategie, an die Macht zu kommen, war immer noch, unterschätzt zu werden. Um dann, im richtigen Moment, zuzuschlagen. Es war nicht zu übersehen, dass die Flora auf der Lauer lag. In Gräben, Gärten und Gewächskasernen warteten sie auf ihren Einsatz. Schon bald würden sie sich alles zurückholen. Die missbrauchten Territorien mit sauerstoffproduzierenden Fangarmen wieder in Besitz nehmen, der Witterung trotzen, mit ihren Wurzeln Asphalt und Beton sprengen. Die Überreste der vergangenen Zivilisation unter einer geschlossenen Krautdecke begraben. Die Rückgabe an die Alt-Eigentümer war nur eine Frage der Zeit.

Aus "Der Hals der Giraffe" von Judith Schalansky von 2011

Montag, 13. April 2020

Lesen in Zeiten von "Corona" I

Und dann muß ich grinsen......

Karl Sprandl hasst das Fernsehen. Das Fernsehen ist nach Karl Sprandls Meinung der größte Dreck auf Gottes Erden. Noch nie ist irgendetwas Brauchbares oder Gescheites im Fernsehen gewesen. Und wahrscheinlich wird auch nie irgendetwas Brauchbares oder Gescheites kommen. Weil die Fernsehmacher allesamt verbrunzte Vollidioten sind. Diese ganzen Liebesschmonzetten zum Beispiel. Die sind mit ihren andauernd grundlos lieblich dreinschauenden Pastelltrotteln ausschließlich was für sehr alte Weiber. Oder wiederum für sehr junge. Und dann die Krimis. Bei denen weiß man zwar nie, um was es eigentlich geht, und trotzdem ist schon während der Titelmelodie klar, wer der Mörder ist. Oder die Volksmusiksendungen! Da stellen sich fast jeden Abend ein paar bunt geschminkte Deppen in eine Reihe und versuchen mit einem einzementierten Grinsen im Gesicht dem Playback des immer gleichen Liedes hinterherzusingen. Aber noch schlimmer als all diese Liebeschmonzetten, Krimis und Volksmusiksendungen zusammen sind die nachmittäglichen Talkshows. Die sind im Grunde genommen nichts anderes als die auf den Bildschirm projizierten Hirnleistungen dieser Fernsehmacher, eine Hirnleistung, die praktisch der Idiotie gleichkommt. Insgesamt sitzen nach Karl Sprandels Meinung in den dirversen Fernsehredaktionen sicher weit mehr Idioten als in allen Psychiatrien und geschlossen Anstalten dieser Welt zusammen. Und da könnte er Recht haben.

Aus "Die weiteren Aussichten" von Robert Seethaler von 2008