"Das Lesebuch meines Vaters hat mich geärgert"
In den frühen 80igern hat die bildende Künstlerin Heike Ruschmeyer auf dem Dachboden ihrer Eltern ein "Deutsches Lesebuch - Gedichte" aus den 30igern gefunden. Beim Durchblättern ist ihr aufgegangen wie mit diesen Gedichten die Kinder manipuliert worden sind. Die ersten 15 Seiten sind dem "Führer" gewidmet und dann geht es weiter mit der ganz braunen Soße.
Ihre erste Reaktion war: der Schund muß weggeschmissen werden.
Das ist der Weg der nirgendwo hinführt!
Also was machen mit dem Buch?
Erstmal liegen lassen und auf eine Idee warten.
Irgendwann, Heike kann es nicht mehr genau wann ihr die Idee gekommen ist, stand für sie fest: Die Gedichte werden umgeschrieben!
Also setzt sie sich hin und ging das Buch Gedicht für Gedicht durch, bewaffnet mit einem schwarzem Edding. Übrig geblieben sind Buchstaben, Wortfragmente, Teile von Gedichtzeilen und manchmal sogar ganze Abschnitte. Dann lag das Buch erstmal eine ganz Zeit nur so rum.
Im Sommer 2005 rief mich Russell Radzinski von der Gallery Emerson in Berlin an und fragte ob ich Lust hätte ein von Heike Ruschmeyer bearbeitetes Gedichtbuch aus dem dritten Reich zu lesen. Meine Antworte war: Ich kann es mir ja mal anschauen. Und um ganz ehrlich zu sein, ich hatte nach diesem Anruf nun wirklich keine Lust irgendwelche rechtslastigen Bücher zu lesen noch dazu laut.
Ich traf mich mit Russell und er gab mir das Buch in die Hand. Da hielt ich es also. Der Buchrücken war nicht mehr durchgängig mit dem Buchdeckeln verbunden aber ansonsten sah es aus wie ein Buch das mehr als 7o Jahre auf dem Buckel hat. Ich öffnete es und sah, daß das gesamte Verzeichnis geschwärzt war. Es waren nur noch die Seitenzahlen und das Wort "Nacht" zu sehen, der Rest geschwärzt. Wow, dachte ich mir das sieht ja schon mal klasse aus. Nach dem Verzeichnis kamen die 15 Seiten die dem "Führer" gewidmet waren und beim ersten Gedicht war nur "Füh" zu sehen. Und auf einmal hatte es mich gefangen! Die Gedichte sogen mich förmlich in dieses Buch hin ein.
Ich freue mich und bedanke mich bei Heike Ruschmeyer für ihr Vertrauen das mir mit diesem Buch gegeben hat.
Die Lesung findet am 30. November 2008 um 15:30 Uhr im Florians Garten in der Kreuzbergstr. 42 b, 10965 Berlin statt.
6 Kommentare:
Oh, das klingt alles sehr spannend!
Ich würde gern kommen :-)
Ist bestimmt lustig im ersten Moment. Bin gespannt wie es dann wirklich wirkt.
Coole Idee! Das hätte ich mir sehr gerne angehört! Wünsche Dir viel Erfolg mit dieser Lesung!
Spannend.
Boah, da gratuliere ich dir ganz herzlich und wünsche dir viel Erfolg bei deiner Lesung. Hört sich echt spannend an
Wo bisse?
Lebste noch?
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