....werden diese Fernsehjournalisten durch ihre Fernsehgebühren. Danke Frank Lübberding für diese Zeilen.
Die FIFA erhält nur für die Übertragungsrechte für die nächsten beiden Weltmeisterschaften (Russland 2018 und Katar 2022) geschätzt insgesamt
von ARD und ZDF, also von ihren Fernsehgebühren.
In dieser Summe ist noch kein Gehalt von irgendeinem Angestellten, geschweige denn Reisekosten, Verpflegung und Unterkunft enthalten.
Noch Fragen?
Mertesacker-Interview
Herzlichen Glückwunsch, Boris Büchler!
Es war ein Glücksmoment im Journalistenleben des ZDF-Manns
Boris Büchler: Nach dem Ende des Achtelfinales gegen Algerien wurde er
vom Innenverteidiger Per Mertesacker abgekanzelt. Warum? Er hatte den
wunden Punkt getroffen.
01.07.2014,
von
Frank Lübberding
Manchmal
haben Journalisten Glücksmomente. Etwa wenn ein Gesprächspartner nicht
jene PR-Floskeln von sich gibt, die schon niemand mehr hören kann und
die trotzdem jeder erwartet. Im Sport-Journalismus gibt es dafür ein
besonders gelungenes Beispiel. Direkt nach Spielende werden noch
atemlose Fußballer über ihre Eindrücke befragt. Sie sind mittlerweile
routiniert genug, um mit dieser professionellen Herausforderung in der
dritten Halbzeit umzugehen. Bloß nicht anecken, nichts sagen, außer die
positive Grundstimmung mit einer Prise Selbstkritik zu würzen.
Was sollen sie auch sonst tun, nach
120 Minuten höchster körperlicher Beanspruchung? Insofern gewährte Per
Mertesacker nach dem Achtelfinalspiel gegen Algerien ungewohnte
Einblicke in seinen Gemütszustand. Er kanzelte den ZDF-Reporter Boris
Büchler live ab (
Video).
Jede Frage nach der Qualität des deutschen Spiels erschien ihm als
Majestätsbeleidigung. Er wisse nicht, was die Leute von ihm und der
Nationalmannschaft wollten. Schön spielen und wieder ausscheiden, wie in
den vergangenen Turnieren?
Nach
professionellen Maßstäben hatte Büchler unfassbares Glück gehabt. Keine
Floskeln, dafür ein Statement mit Erregungspotential. Was will er mehr
in der Epoche der als Journalismus drapierten Aufmerksamkeitsökonomie?
Mit seinen Fragen, so unsinnig dieses Format Spieler-Interview auch sein
mag, hatte er beim Innenverteidiger einen wunden Punkt getroffen.
Schonungslos die Stärken und Schwächen offenlegen?
Psychologisch
ist seine Reaktion gut zu erklären: Die Nationalmannschaft steht unter
enormen Druck, endlich einen Titel zu gewinnen, und sogar noch schönen
Fußball zu spielen. Angesichts der desolaten Abwehrleistung im
Achtelfinale war es kein Wunder, warum Mertesacker die Contenance
verlor, und die üblichen PR-Floskeln vergessen hatte.
Aber was
ist eigentlich die Aufgabe des Journalismus bei dieser
Weltmeisterschaft? Ansprüche zu formulieren? Nach dem Titelgewinn und
einem hinreißenden Fußball? Das Lied vom Eiapopeia des fußballerischen
Himmelreichs zu singen, um die Erwartungen jener 80 Millionen zu
befriedigen, die im Sessel sitzend den Spielern beim Schwitzen und
Laufen zusehen? Oder wäre es nicht besser, sich auf die journalistische
Kernkompetenz zu besinnen?
Schonungslos
die individuellen Stärken und Schwächen der Spieler offenzulegen, ohne
Häme, aber dafür mit Sachverstand? Das sollte nach dem Spiel gegen
Algerien kein Problem sein. Dort findet der Journalismus genügend
empirisches Material, so sollte man meinen. Vor allem könnte man sich
mit einem Bundestrainer beschäftigen, der die Verantwortung für die
Mannschaftsaufstellung und die taktische Einstellung übernehmen muss.
Stattdessen sieht man etwa im Fernsehen jene Szenen namens „Löw am
Strand“ im WM-Quartier der Nationalmannschaft. Ein nachdenklicher
Trainer auf dem Wege zu Ruhm, so ist diese Form des
öffentlich-rechtlichen Propaganda-Fernsehens zu nennen. Offenkundig muss
jeder Journalist für ein kritisches Wort befürchten, am Hofe des DFB in
Ungnade zu fallen.
Das Problem: Ehemalige Nationalspieler als Experten
Im
harten Wettbewerb der Produzenten der Aufmerksamkeitsökonomie kann es
sich niemand leisten, vom DFB auf die journalistische Ersatzbank gesetzt
zu werden. Das Volk, der große Lümmel, lechzt geradezu nach
Informationen aus dem Umfeld der Nationalmannschaft. Die Nähe zur
Mannschaft, und damit zum DFB, verspricht Auflage und Klicks. Dazu kommt
noch jene mittlerweile problematisch zu nennende Übung, vor allem im
Fernsehen ehemalige Nationalspieler als Experten zu beschäftigen.
Sie
verstärken noch jene Tendenz, die journalistische Distanz durch
Identifizierung mit der Mannschaft zu ersetzen. Fußballer sind keine
Journalisten. Insofern muss man ihnen auch nicht vorwerfen, wenn sie
ihre Expertenfunktion als das Rollenbild des Nationalspielers in einer
Ausnahmesituation namens WM definieren. Sie finden bisher in ARD und ZDF
kein journalistisches Gegenüber, die gewillt sind, dieses Defizit
auszugleichen.
Im Studio
in Rio de Janeiro haben es Oliver Kahn und Mehmet Scholl mit braven
Stichwortgebern statt Journalisten zu tun. Matthias Opdenhövel und
Oliver Welke sind in Ehrfurcht erstarrt vor den ehemaligen Heroen der
Nationalmannschaft. Was stimmt: Sie sind wahrscheinlich beide schlechte
Fußballer gewesen. Nur schrieb Marcel Reich-Ranicki die besseren Romane?
Jener wusste allerdings, was den Kritiker vom Schriftsteller
unterscheidet. Dieses Wissen ist im Sport-Journalismus unter den Diktat
der Aufmerksamkeitsökonomie verloren gegangen. Das ist jeden Tag live ab
17 Uhr zu erleben.
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Manchmal
haben Journalisten Glücksmomente. Das Interview mit Mertesacker war so
einer. Herzlichen Glückwunsch, Boris Büchler Wichtiger wäre es
allerdings, wenn der Journalismus diese Weltmeisterschaft zum Anlass
nähme, sein Selbstverständnis als kritischer Beobachter des sportlichen
Zeitgeschehens wiederzufinden. Deutschland ist bekanntlich eine
Turniermannschaft. Wir werden sehen, ob der deutsche Journalismus
ähnliche Qualitäten hat. Was allerdings dort nicht funktionieren wird:
Lausig zu spielen und trotzdem zu gewinnen. Das konnten schon in der
Vergangenheit nur deutsche Fußball-Nationalmannschaften. Insofern
besteht für den Fan noch Hoffnung.
Quelle: FAZ-online, 01.07.2014, von Frank Lübberding